Was für manche Menschen zur Routine gehört, stellt für andere eine emotionale Ausnahmesituation dar: der Blick in den Spiegel.
Die meisten Menschen übersehen ihre Makel oder können sie zumindest akzeptieren. Andere fixieren sich jedoch auf die vermeintlichen Fehler am eigenen Körper – und das bis zu einem Punkt, an dem das tägliche Leben massiv beeinträchtigt wird.
Diese extreme Beschäftigung mit dem äußeren Erscheinungsbild kann ein Hinweis auf eine sogenannte körperdysmorphe Störung, kurz KDS sein. Bei dieser handelt es sich um eine ernstzunehmende psychische Erkrankung, die jedoch häufig verkannt wird.
Was genau ist eine körperdysmorphe Störung?
Die körperdysmorphe Störung, die im Fachjargon auch als „Dysmorphophobie“ bezeichnet wird, ist durch eine übermäßige und belastende Beschäftigung mit einem oder mehreren wahrgenommenen körperlichen Mängeln gekennzeichnet. Diese vermeintlichen Mängel erscheinen den Betroffenen extrem auffällig oder entstellend – auch wenn sie objektiv nicht oder nur kaum erkennbar sind.
Die Störung zählt zu den Zwangsspektrumstörungen und bringt erhebliche psychosoziale Einschränkungen mit sich. Zu den häufigsten Begleiterscheinungen zählen die Vermeidung sozialer Kontakte, das ständige Kontrollieren des Aussehens, depressive Symptome und ein hoher Leidensdruck.
Die Erkrankung tritt in der Regel bereits in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter auf und betrifft Männer wie Frauen gleichermaßen. Studien zufolge leiden etwa 1,7 bis 2,4 Prozent der Bevölkerung an einer körperdysmorphen Störung. Die Dunkelziffer gilt jedoch als sehr hoch, da sich Betroffene oft nicht trauen, professionelle Hilfe aufzusuchen.
Wenn kosmetische Eingriffe als Lösung erscheinen
In vielen Fällen wenden sich Menschen mit KDS an plastisch-ästhetische Chirurgen in der Hoffnung, durch operative Veränderungen ihre innere Unzufriedenheit beheben zu können. Besonders häufig betreffen die Selbstzweifel das Gesicht, die Haut oder die Brust. So kommt es immer wieder vor, dass Betroffene beispielsweise die Experten für die Brustvergrößerung in Hannover kontaktieren – jedoch nicht aus dem Wunsch nach einer ästhetischen Optimierung, sondern als vermeintlich einziger Ausweg aus ihrem psychischen Leiden.
Problematisch daran ist: Solche Eingriffe können die psychischen Ursachen der Unzufriedenheit nicht beheben. Daher führen sie bei Menschen mit KDS häufig zu Enttäuschung, Frustration oder dem Wunsch nach weiteren Operationen.
Viele Betroffene wechseln mehrfach die behandelnden Ärztinnen und Ärzte oder verdecken ihre wahren Beweggründe, um die gewünschte Behandlung zu erhalten. Umso wichtiger ist es, dass das Fachpersonal in Kliniken und Praxen für diese Störung sensibilisiert wird.
Wie lässt sich die Störung erkennen – und was hilft?
Ein zentrales Merkmal der KDS ist die Diskrepanz zwischen Fremd- und Selbstwahrnehmung. Das Umfeld erkennt wenig bis gar keinen Makel. Die Betroffenen erleben ihre Erscheinung allerdings als stark beeinträchtigt. Viele ziehen sich zurück, meiden Spiegel oder kontrollieren ihr Aussehen zwanghaft über Stunden hinweg. Auch das wiederholte Einholen von Rückversicherung („Findest du, ich sehe schlimm aus?“) gibt Hinweise.
Eine verlässliche Diagnose kann jedoch ausschließlich eine Psychotherapeut*in oder Psychiater*in stellen. Diagnostische Instrumente wie strukturierte Interviews und standardisierte Fragebögen helfen ihnen bei der Einschätzung. Zu den Voraussetzungen für die Diagnose KDS gehört unter anderem, dass die Gedanken um das Aussehen täglich mindestens eine Stunde einnehmen und zu einer deutlichen Beeinträchtigung des Alltags führen.
Die empfohlene Behandlung besteht in der Regel in einer kognitiven Verhaltenstherapie. Diese setzt an den verzerrten Denkmustern an, die das verzweifelte Fixieren auf bestimmte Körperregionen verursachen. Es wird das Ziel verfolgt, alternative Sichtweisen zu entwickeln und den Selbstwert unabhängig vom äußeren Erscheinungsbild zu stärken. In schwereren Fällen kann auch eine medikamentöse Therapie mit Antidepressiva in Erwägung gezogen werden.
Sensibler Umgang statt schneller Lösungen
Gerade im medizinischen Kontext ist ein feinfühliger Umgang mit Menschen, die unter einer körperdysmorphen Störung leiden, entscheidend. Es braucht eine sorgfältige psychologische Abklärung und gegebenenfalls eine langfristige therapeutische Begleitung. Auch Angehörige und Freunde können helfen, indem sie die betroffenen Personen darin bestärken, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Bei der körperdysmorphen Störung handelt es sich um kein Zeichen von Eitelkeit, sondern um eine ernsthafte psychische Erkrankung. Das frühzeitige Erkennen und Behandeln trägt entscheidend dazu bei, die Lebensqualität der Betroffenen deutlich zu verbessern.